Geschäftsführer der Ringele AG: Andreas Zurbrügg (links) und Urs Leuenberger
Ringele — Lösungen in Blech
Funktioniert LEAN in einem mittelständischen Produktionsbetrieb mit kleinen bis mittleren Losgrößen und hochkomplexen Produkten? Natürlich, wie das Beispiel Ringele AG zeigt. Es braucht dafür aber Zeit und Konsequenz in der Umsetzung.
Es sind die vielen kleinen Ideen, die bei der Ringele AG in der Summe eine große Wirkung erzeugen. Gesammelt werden sie im sogenannten „KVP", dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. In regelmäßigen Abständen sondieren dann die „KVP-Teams" in den einzelnen Geschäftsbereichen, welche Vorschläge davon sinnvoll und machbar erscheinen. Die Umsetzung unterstützt unternehmensübergreifend das „Panther-Team", das aus vier Mitarbeitenden mit einer Leidenschaft für Veränderung besteht. Panther steht in diesem Fall symbolisch für Eigenschaften der Großkatze – nämlich schnell, schlank und ausdauernd.
Andreas Zurbrügg, neben Urs Leuenberger einer von zwei Geschäftsführern der Ringele AG, sieht die „Panther" als Beschleuniger und kritische Gesprächspartner. Sie seien ausdrücklich keine „Problemlöser", laut Zurbrügg sollen sie vielmehr die Kolleginnen und Kollegen bei der Umsetzung ihrer Optimierungsideen begleiten und unterstützen und sie motivieren, die Anforderungen des Unternehmens im Auge zu behalten: „Es ist immer besser, wenn 100 Leute einen Schritt machen, als wenn eine Person 100 Schritte gehen muss."
Die LEAN-Kultur betrifft damit die ganze Belegschaft. Es gibt Anstifter, Beschleuniger und Unterstützer – die Philosophie der kontinuierlichen Verbesserung hat aber jeder einzelne Mitarbeitende verinnerlicht und wird von allen tagtäglich gelebt. Aus dieser kollektiven Bewegung wurden im Laufe der zurückliegenden zehn Jahre unzählige Verbesserungen umgesetzt. Die Produktion und die Verwaltung werden in einem permanenten Prozess optimiert und effizienter – so ist es möglich, am Hochlohnstandort Schweiz im globalen Wettbewerb zu bestehen.
„LEAN ist kein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist", unterstreicht Andreas Zurbrügg. Er spricht von einer Kultur der permanenten Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand. LEAN ist ein Prozess, der erst dann Wirkung erzeugt, wenn er zur täglichen Routine wird. Optimierung und Effizienzsteigerung sind ein immerwährender Anspruch, es geht darum, immer wieder ein kleines bisschen besser zu werden. „Das war und ist durchaus ein anstrengender Weg, bedeutet es doch stete Veränderung. Es gibt kein Zurücklehnen, auch wenn man gerade in einem Fertigungsschritt eine signifikante Optimierung erreicht hat", sagt Urs Leuenberger. Der nächste Gedanke muss schon wieder lauten: Wie werden wir jetzt noch effizienter?
Jeder Mitarbeiter ist aufgefordert, im Jahr mindestens 15 Verbesserungsvorschläge einzureichen. Einmal im Monat ruhen die Maschinen für einen halben Tag, damit sich alle in der Belegschaft mit LEAN beschäftigen können und an neuen Ideen arbeiten. Es geht unter anderem darum, Verschwendung zu minimieren, Unklarheiten in Prozessabläufen zu beseitigen, Maschinenausfälle oder die Besetzung mit nicht passend ausgebildeten Mitarbeitern zu vermeiden. „Wenn das alle regelmäßig gemeinsam machen, kann man an diesem Tag mit anderen Kollegen diskutieren und bereichsübergreifend agieren", sagt Andreas Zurbrügg.
Auf diese Weise ist es gelungen, die Zeit für einige Fertigungsschritte in der Produktion von mehr als einer Stunde auf gut zehn Minuten zu minimieren. Das war zum Beispiel durch die Einführung sogenannter „Shadow-Boards" möglich, an denen die Mitarbeitenden alle für den jeweiligen Fertigungsschritt notwendigen Werkzeuge in Griffweite haben und so unnötige Wege vermeiden.
Zum LEAN-Gedanken zählt auch die Vermeidung von Ausfallzeiten, etwa weil Maschinen repariert werden müssen. „Bei Ringele werden Maschinen kontinuierlich und in festgelegten Zeitabständen präventiv gewartet", erklärt Andreas Zurbrügg. Diese Praxis läuft unter dem Namen „Total Productive Maintenance".
So führen viele kleine Verbesserungen in der Summe zu der außergewöhnlich hohen Produktivität der Ringele AG. Zuletzt gelang dies mit einer Idee zur Verpackung von Abdeckblechen mit aufwendig bearbeiteten Oberflächen. „Wir hatten das Problem, dass diese sensiblen Teile beim Transport innerhalb der Produktion leicht zerkratzen", erklärt Urs Leuenberger. Die Teile aufwendig zu verpacken, hätte aber viel größere Pakete und zu viel Zeit erfordert. Eine einfache Lösung des Problems war das Ausfüllen der Transportkartons mit Schaumstoff, in den sich die sensiblen Bleche kratzsicher einsetzen lassen.
„Es gibt kein Zurücklehnen, auch wenn man gerade in einem Fertigungsschritt eine signifikante Optimierung erreicht hat."
Das konsequente Bekenntnis zu LEAN hat die Unternehmenskultur nachhaltig verändert. Das gilt nach Meinung von Andreas Zurbrügg auch für den Umgang mit Fehlern: „Wir haben dieses Wort bei uns gestrichen, wir reden von Chancen. Auch dann, wenn uns Kunden eine Reklamation mitteilen, sehen wir das als Chance, uns weiter zu verbessern."
Nicht mehr von Fehlern zu reden, bedeutet für Zurbrügg aber nicht, diese zu negieren: „Wir können uns nicht damit zufriedengeben zu sagen, dass wir es beim nächsten Mal einfach besser machen. Nein, wir müssen sehr genau reflektieren, warum etwas nicht funktioniert hat und mit welchen optimierten Werkzeugen, Vorrichtungen oder Prozessen wir künftig besser arbeiten." Durch LEAN ist die Unternehmenskultur ganzheitlich und nachhaltig auf eine langfristige Ergebnisoptimierung ausgerichtet. Zurbrügg spricht von einem „Schwungradeffekt, da neue Lösungen immer auf dem bereits Erreichten aufsetzen".
LEAN heißt letztlich, etwas Kompliziertes und Schwieriges ganz einfach zu machen – oder wie es Urs Leuenberger in seinen eigenen Worten vielleicht am besten ausdrückt: „LEAN heißt nicht, dass wir alle beim Arbeiten noch mehr schwitzen – sondern noch mehr schaffen."
Juni 2023
„LEAN heißt nicht, dass wir alle beim Arbeiten noch mehr schwitzen – sondern noch mehr schaffen."